Siegeszug der Micro-Fulfillment Center

Der E-Commerce boomt weltweit und ebenso in Südostasien (SOA). Besonders durch die Corona-Pandemie sind die Online-Verkäufe und insbesondere der E-Grocery-Bereich stark gewachsen. Weltweit setzen große Supermärkte schon Micro-Fulfillment Center (MFC) ein, um Lieferzeiten zu verkürzen und Bestände besser kontrollieren zu können. Auch in SOA testet beispielsweise der indonesische E-Grocer Happy Fresh bereits MFC.

Redaktion: Dirk Ruppik.

Wie fast überall hat die Covid-Pandemie die Online-Verkäufe in bestimmten Branchen wie Lebensmittel, Drogeriewaren, Pharmazeutika, etc. rapide ansteigen lassen. Gemäß Studien von Google Temasek Holdings Pte und Bain & Co soll der Wert der E-Commerce-Verkäufe in Südostasien (SOA) von 62 Milliarden US-Dollar (54,3 Milliarden Euro) in 2020 auf 150,6 Milliarden Euro in 2025 emporschnellen. Gleichzeitig legte die Fintech-Branche in SOA ein enormes Wachstum hin.

Allerdings wird es für Lebensmittelhändler und Einzelhändler immer schwieriger im Wettbewerb zu bestehen und einen Gewinn aus Online-Lieferungen zu generieren. Um die Lieferungen auf der „letzten Meile“ der Supply Chain effizienter und kostengünstiger zu gestalten, werden immer mehr Micro-Fulfillment Center (MFC) installiert.

Was genau sind Micro-Fulfillment Center?
Micro-Fulfillment ist die logische Antwort auf den expandierenden und sich beschleunigenden E-Commerce, flinke Logistik und immer verstopftere Städte. Bei der klassischen Abwicklung von Bestellungen und Auftragserfüllung bei Großhändlern und Herstellern müssen Waren von großen Logistik-Centern, die meist regional angesiedelt sind, von weit her angeliefert werden. Das kostet Zeit, ist aufwendig und zudem verstopfen die vielen Lieferfahrzeuge der unterschiedlichen Unternehmen die Städte.

MFC werden daher nahe bei den Kunden an strategischen Orten für Lieferungen bzw. Abholung von Waren auf der letzten Meile in Städten oder Ballungsräumen installiert. Sie können ebenfalls als autarke MFC (stand-alone) in Einzelhandels-Niederlassungen integriert werden.

Die MFC sind kleine flexible Lager- und Kommissionierungs-Zentren, die sich aufgrund ihres geringen Platzbedarfs vor allem für Ballungszentren wie dicht besiedelte Innenstädte oder auch für den Stadtrand eignen. Gerade in SOA ist aufgrund der hohen Besiedlungsdichte die Landverfügbarkeit gering bzw. die Kosten für gößere Baugrundstücke sind hoch.

Die MFC bestehen aus mehreren Intralogistik-Bausteinen wie einem hochverdichtenden Lagersystem (Shuttle-System), einem Warehouse Management System, einem (oder mehreren) E-Commerce-Shop(s) und einer Digitalen Operations-Plattform.

Die effiziente MFC-Technologie zeichnet sich durch moderne flexible Automatisierungs-, Roboter- und Softwarelösungen und geringen Personalbedarf aus. Sie sind überwiegend modular aufgebaut und können leicht erweitert und angepasst werden. Das Lagersystem eines MFC arbeitet nach dem Ware-zum-Mann-Prinzip und reduziert so manuelle Prozesse bei der Abwicklung und Kommissionierung von Online-Bestellungen auf ein Minimum. Die Auftragszusammenstellung erfolgt extrem schnell rund um die Uhr und im Vergleich zur Belieferung aus regionalen Zentren sehr günstig. Zudem können Click & Collect-Lösungen integriert werden, sodass der Kunde seine Bestellung zur jeder Tageszeit selbst abholen kann. Mit einer KI-basierten Software können mehrere Zentren für das Fulfillment für ein Echtzeit-Bestellmanagment verbunden werden. Durch die KI wird ein reibungsfreier Ablauf der Auftragserfüllung über verschiedene Bereiche, Standorte und Zentren für das Fulfillment von der Anlieferung bis hin zur Bestell-Ablaufplanung und Verpackung gesichert.

Micro-Fulfillment in SOA.
Die Pandemie mit Lockdowns und stark einschränkenden Maßnahmen hat auch in SOA zu vielen Veränderungen im Online-Geschäft und dem Fulfillment geführt. Online-Händler entwickeln neue Fulfillment-Strategien z. B. mit MFC, um ihr Geschäft für die Zukunft resilienter zu machen. Laut Retail News Asia mit Sitz in Hong Kong sind viele Lebensmittel- und Einzelhändler zögerlich, wenn es um die Nutzung ihres Ladengeschäfts für das Fulfillment von Online-Bestellungen geht. Das gleichzeitige Fulfillment kann das „normale“ Geschäft beeinträchtigen und die Kunden verärgern.

Das Online-Fulfillment zieht Personal ab, das sonst für die Ladenkunden zur Verfügung stände. Aufträge von Online-Kunden müssen zwischen-geschoben werden, was zu längeren Wartezeiten von Ladenkunden führt. Zudem beeinträchtigen Lieferboten die Abläufe im Ladengeschäft, was z. T. auch zu Problemen beim Social Distancing führt. Ein ausgelagertes hoch-automatisiertes Micro-Fulfillment erscheint für viele Geschäfte als Lösung.

Das Setup der MFC ist relativ leicht und kann auf verschiedene Arten erfolgen. Es kann als Fulfillment Center für den Ortsbereich in der Nähe des Ladengeschäfts fungieren oder auch als „Hub-and-Spoke“-System zur Belieferung verschiedener Ladengeschäfte mit den im Internet bestellten Waren dienen.

Eine weitere Möglichkeit ist der Aufbau eines Dark Stores mit MFC zur reinen Belieferung von Online-Kunden. Damit MFC effizient arbeiten können, müssen drei Voraussetzungen erfüllt sein. Es muss eine Omnichannel-Strategie existieren, die den stationären Handel mit dem Vertrieb über Online-Kanäle und -Plattformen verbindet. Diese Online-Verkäufe auch aus den Ladengeschäften müssen mit den passenden MFC verbunden werden. Zweitens ist die vollständige digitale Transparenz der Bestände notwendig, damit nie „Out-of-Stock“-Situationen entstehen. Weiterhin müssen die erwarteten Bestellmengen gut abgeschätzt werden, damit das MFC entsprechend ausgelegt werden und eine erfolgreiche MFC-Strategie entwickelt werden kann.

MFC-Lösung für E-Grocery.
Große internationale Einzelhändler wie Wallmart und Amazon haben bereits MFC in ihre Fulfillment-Strategie integriert. Im Bereich Lebensmittel bietet z. B. Takeoff Technologies in Idaho (US) MFC für große (Online-)Lebensmittelhändler wie Albertson und Woolworths an. Bei der Lösung werden MFC für die Kommissionierung der Online-Bestellungen im hinteren Bereich eines physischen Supermarkts integriert. Da der E-Commerce mit Lebensmitteln in SOA drastisch angestiegen ist und auch die Kundenerwartungen an die Liefergeschwindigkeit enorm gewachsen ist, wird davon ausgegangen, dass große Online-Händler der Region wie RedMart, Dei, Lazada, GrabFresh, Cold Storage, Makro, Lotus, etc. beim Micro-Fulfillment nachziehen.

Der indonesische E-Grocer Happy Fresh, der auch in Malaysia und Thailand Kunden mit Lebensmitteln beliefert, testet bereits ein Netzwerk von MFC. Der Hauptgrund ist neben der Liefergeschwindigkeit die bessere Kontrolle über die Bestände und damit die kontinuierliche Lieferfähigkeit. Bei der MFC-Strategie arbeitet Happy Fresh mit dem eigenen Customer Insight Team zusammen, um nützliches Feedback sofort zu verwerten und die Prozesse darauf abstimmen zu können. (DR)

Quelle: LOGISTIK express Journal 1/2022

 

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