Der Weg zurück wird für viele Unternehmer ein steiniger werden

1,5 Jahre sind seit Ausbruch der Corona-Pandemie vergangen. Mittlerweile – nach vier harten Lockdowns und einem BIP-Rückgang um 6,6% – wird die langersehnte Erholung der Wirtschaft spürbar. Die Verbraucherstimmung ist laut HV Konsumbarometer so gut wie zuletzt im Sommer 2020, die Sparneigung geht zurück und die Konjunkturerwartung hat sich stabilisiert. Nur die Einkommenserwartung ist aufgrund der Jobunsicherheit noch im Keller. Der Weg zurück wird für viele Unternehmer ein steiniger werden, doch zumindest die Richtung stimmt.

Beitrag: Rainer Will.

Keine Regierung der Welt wusste am Beginn der Pandemie, wie man mit diesem neuartigen Virus am besten umgehen soll. Die politischen Entscheidungsträger haben ihr Bestes gegeben, um die Situation schnellstmöglich unter Kontrolle zu bringen und Menschenleben zu schützen. Dafür gebührt ihnen Dank. Natürlich ist nicht alles optimal gelaufen. Die EU hat etwa durch zögerliche Entscheidungen beim Impfdosenankauf viele Chancen verspielt und muss sich nun selbst rechtfertigen.

Der „Grüne Pass“ wird die nächste Bewährungsprobe. Die Aussicht auf einen Fleckerlteppich an einzelstaatlichen Regulierungen erzeugt bei vielen Menschen Unsicherheit. Daher braucht es ein „Klima der Zuversicht“ nicht nur für die Österreicherinnen und Österreicher, sondern auch für alle Menschen, die unser Land als Touristen besuchen wollen. Eine entscheidende Frage ist jetzt, wie wir möglichst viele Arbeitsplätze sichern und neue Jobs schaffen können.

Der Handelsverband empfiehlt hierfür einen Arbeitsplatz-Sicherungsbonus. Die jüngsten Öffnungsschritte stimmen optimistisch. Am 3. Mai durften alle Geschäfte in ganz Österreich ebenso wie die körpernahen Dienstleister ihre Pforten wieder öffnen. Am 19. Mai folgten die Gastronomie, Hotellerie, Kunst-, Kultur- und Sportstätten. Ab 10. Juni wurde u.a. die Sperrstunde in der Gastro von 22 auf 24 Uhr ausgeweitet, der Mindestabstand von 2 auf 1m reduziert sowie die Quadratmeterregel in den Geschäften von 20 auf 10 m2 pro Kunde halbiert. Bei aller Euphorie über die Lockerungen im Inland darf aber nicht die Abhängigkeit von der Außenwirtschaft übersehen werden. Mehr denn je spüren wir die Auswirkungen der Lockdowns durch stotternde globale Lieferketten und
Produktionskapazitäten.

Egal ob Autoteile, Waschmaschinen oder Baustoffe – vieles ist derzeit nur schwer nach Österreich zu bekommen. Auf manche E-Bikes gibt es bis zu zwei Jahre Wartezeit. Einer aktuellen Befragung des Handelsverbandes zufolge sind 75% aller heimischen Einzelhändler von Lieferengpässen betroffen und gar 93% aller heimischen Großhändler.

Der Auslöser für diese Beschaffungskrise war – natürlich – Corona. In Europa läuft die Produktion teilweise noch immer nicht auf Hochtouren, auch aus Asien kommt noch nicht so viel Nachschub wie üblich, weil die Produkte zuerst im eigenen Land verkauft werden und die internationalen Zentrallager leer sind. Chinas Fabriken laufen wieder auf Vollbetrieb, auch um medizinische Güter wie Corona-Tests und Schutzmasken in alle Welt zu exportieren. Auch Laptops und andere Ausstattung für das Home Office kommen aus dem Reich der Mitte.

Die Industrieproduktion hat im ersten Quartal 2021 um ein Viertel angezogen, gleichzeitig erlebt China zurzeit das stärkste Wirtschaftswachstum seit 30 Jahren. Die zweitgrößte Volkswirtschaft der Erde ist im ersten Quartal um mehr als 18 Prozent gewachsen. In den meisten europäischen Ländern konnte die Produktion zuletzt ebenso wie in Asien wieder halbwegs auf Normalbetrieb hochgefahren werden. Allerdings ist eine Ausweitung der Produktionskapazitäten in so kurzer Zeit schwer möglich. Überdies müssen die Mitarbeiter in den Industriebetrieben weiterhin Abstandsregeln einhalten bzw. Maske tragen. Viele Betriebe mussten im Zuge der Krise auch Personal abbauen, Leiharbeitsverträge auslaufen lassen und viele Arbeitskräfte in Kurzarbeit schicken. Das alles summiert sich und die Betriebe können nicht einfach in ein paar Tagen von 0 auf 150 Prozent hochfahren.

Darüber hinaus verzeichnen wir seit Jahresbeginn stark steigende Rohstoffpreise bei Metall, Holz und Kunststoff, Engpässe bei Vorlieferanten, Verzögerungen durch die Einführung der neuen EU-Energie-Labels sowie covidbedingte Ausfälle bei internationalen Fabriken und jüngst den Rückstau im Suezkanal. Schön langsam zahlt Europa auch den Preis für die schleppenden Impfprogramme. Die Wirtschaft ist nämlich in Asien und in den USA um ein paar entscheidende Monate früher angesprungen. Wie bei den Impfstoffen haben diese Länder nun auch bei der Beschaffung von Rohstoffen die Nase vorn. Hinzu kommt eine enorm gestiegene Nachfrage der Kunden nach Unterhaltungselektronik, Fitnessgeräten, Küchen und Möbel. Die Verbraucher können ihr Geld während der Pandemie nicht für Auslandsreisen, Restaurantbesuche oder Hotels ausgeben, daher investieren sie es in die Verschönerung der eigenen vier Wände. Wo das Angebot gering, die Nachfrage aber hoch ist – dort steigt der Preis. Die Kosten für Container haben sich teilweise verachtfacht. Bis sich alles wieder normalisiert hat, wird es noch dauern.

Das letzte Jahr hat gezeigt, wie stark die globale Vernetzung inzwischen ist und wie schnell die Lieferketten aus dem Gleichgewicht geraten und sich vereinzelte Störungen über die unterschiedlichen Wertschöpfungsstufen bis zum Verbraucher durchschlagen. Wer jetzt lieferfähig ist das Geschäft. Das bewegt einige Unternehmen zum Umdenken – weg von der möglichst kostengünstigen Beschaffung hin zur Sicherstellung der Lieferfähigkeit in den einzelnen Märkten. Und dies bedeutet hoffentlich am Ende eine Neuausrichtung der Wertschöpfungsketten und eine Reallokation der Produktion. (RED)

QUELLE: LOGISTIK express Ausgabe 3/2021

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