COVID19 die Corona-Pandemie

Störung der Postzustellung und Auswirkungen auf grenzüberschreitende Post- und Warenströme.

Beitrag: Walter Trezek.

Es begann am 23. Januar 2020, dem Tag, an dem China über COVID-19-Virus offiziell berichtete. Innerhalb eines Monats verzeichnete das globale Briefpostnetz ¼ weniger Postverkehr (kommerzielle Warensendungen -> small packets), wobei die grenzüberschreitenden chinesischen Sendungsvolumen auf nahe „0“ zurückgingen. Drei Monate später führt die Pandemie weltweit zu Störungen. Der grenzüberschreitende Postaustausch, damit der kommerzielle Postsendungsverkehr ist nachhaltig gestört. Die benannten Postbetreiber berufen sich auf „Höhere Gewalt“ und setzen Verpflichtungen, die ihnen von den Mitgliedsstaaten des Weltpostvereins in der Aufrechterhaltung des grenzüberschreitenden Post Universaldienstes übertragen sind aus.

Grenzüberschreitender Ecommerce: Rien ne va plus.
75% aller grenzüberschreitenden Warensendungen werden innerhalb des globalen Postnetzes der Universal Postal Union (UPU) zugestellt. Dieses Netzwerk, das Rückgrat des globalen Ecommerce, ist zusammengebrochen. Das Notfallinformationssystem (EMIS) des Weltpostvereins (www.upu.int) spiegelt diese anhaltende Entwicklung wider: Der globale Postluftverkehr wurde beeinträchtigt und steht de facto still. Postgesellschaften nutzten Passagierfluglinien für die Luftpost.

Mit der pandemischen Ausbreitung von  COVID-19 stellten die benannte Postbetreiber ihren internationalen Postaustausch ein. Nicht wenige setzten ihre Zustellung sogar vollständig aus. Zusatzdienstleistungen, wie die Unterschrift als Zustellnachweis wurden eingestellt oder durch andere Mittel ersetzt, um sozialen Kontakt und die Gefährdung von Postzustellpersonal zu vermeiden.

Passagierflüge eingestellt, Flugfracht nach wie vor verfügbar.
Ende März war das globale Luftfrachtnetz in Betrieb und arbeitete auf 60% seiner vollen Kapazität. Für das Schienengüterverkehrsnetz von Asien nach Europa, die Landgüterverkehrsnetze und sogar die Schiffstransportlogistik aus Europa nach Amerika gilt das Gleiche. Die Postgesellschaften berufen sich auf „höhere Gewalt“, wenn sie Universaldienstverpflichtungen unterbrechen oder gar aussetzen. In den meisten Fällen lag der Grund der „Störung“ in der Annullierung von Passagierflügen. Der Weltpostverein und dessen internationales Büro machte die benannten Postbetreiber zu Recht darauf aufmerksam, dass trotz der Annullierung der meisten Passagierflüge fast alle Luftfrachtflüge noch in Betrieb sind und Kapazitäten verfügbar sind. Es ist daher mehr als fraglich, ob „Höhere Gewalt“ überhaupt anwendbar ist.

„Höhere Gewalt“ kein Rechtfertigungsgrund internationlen Postaustausch einzustellen.
Die UPU bemüht sich, den grenzüberschreitenden Austausch von Postartikeln wiederherzustellen, da die meisten Passagierflugzeuge eingestellt werden. Die von den Mitgliedsstaaten des Weltpostvereins mit der Erfüllung des grenzüberschreitenden Postuniversaldienstes beliehenen Postbetreiber rechtfertigten sich mit „höher Gewalt“ um sich den hoheitlich übertragenen Verpflichtungen zu entziehen. Die dadurch entstandenen Schäden – Zusammenbruch des grenzüberschreitenden Handels – sind signifikant und dürften allein für Europa 1 Mrd. EURO überschreiten. Zumindest in Europa gibt es seit Jahrzehnten klare Definitionen, wann Höhere Gewalt angewendet und wie Fälle Höherer Gewalt im Bereich der Postdienstleistungserbringung zu handhaben sind. Zudem sind die rechtlichen Grundlagen von der EU für den gesamten Binnenmarkt harmonisiert und verbindlich erklärt worden.

„Höhere Gewalt“ in der EU leitet sich aus UNIDROIT PRINCIPLES OF INTERNATIONAL COMMERCIAL CONTRACTS (2004) ab und stellt klar, dass eine Nichterfüllung durch eine Partei dann entschuldigt ist, wenn sie nachweist, dass die Nichterfüllung auf einem außerhalb ihres Einflussbereichs liegenden Hinderungsgrund beruht und dass von ihr vernünftigerweise nicht erwartet werden konnte, den Hinderungsgrund bei Vertragsabschluss in Betracht zu ziehen oder den Hinderungsgrund oder seine Folgen zu vermeiden oder zu überwinden.

Universaldienstprivileg erfordert Überwachung, Sanktionen bei Verstößen.
Die Postregulierungsbehörden – in Österreich die RTR – ist für die Vollziehung der einschlägigen Aufsicht über den beliehen Universaldienstleister – die Österreichische Post AG – verantwortlich; jedes Mitgliedsland des Weltpostvereins – für Österreich, das Bundesministerium für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus – ist für die Erbringung der Universaldienstverpflichtung die Österreich als Mitglied des Weltpostvereins vertraglich zugesichert hat verantwortlich.

Um zu vermeiden, dass „Höhere Gewalt“ missbräuchlich verwendet wird, sind nach den einschlägigen europäischen Normen Ereignisse höherer Gewalt mit der Regulierungsbehörde zu erörtern und der tatsächliche Eintritt festzustellen. Sämtliche Umstände sollten unmittelbar nach dem Ereignis geklärt werden, damit Berichte zur Aufsicht im Überwachungszeitraum nicht verzögert werden. Zumindest in Europa gibt es klare Definitionen, wann höhere Gewalt angewendet und verwaltet werden kann, da sie vom Europäischen Komitee für Normung (CEN) im Auftrag der Europäischen Kommission harmonisiert und von der EU verbindlich vorgeschrieben wurden.

Ecommerce sucht sich neue Zustellwege: Faites votres jeu!
Dem nicht genug, die Einschränkungen im internationalen Warenbriefaustausch, bei gleichzeitig erhöhtem nationalen und internationalem online Handel und Verfügbarkeit von grenzüberschreitenden Frachtkapazitäten führen zu einer Substitutionsbewegung weg vom Netz der Postbetreiber, hin zu Netzen alternativer Transport- und Zustellbetreiber. Bereits Ende März haben Postbetreiber in Süd-Ost Asien begonnen den regulären Austausch wieder aufzunehmen. Statt auf Passagierflugkapazitäten zu setzen, werden vermehrt Frachtflug- aber zunehmend auch Zug- und Seefrachtkapazitäten genutzt.

Digitalisierungsschub durch weltweite fortgeschrittene Datenausregulierung 2021 wird der gesamte Warensendungsaustausch weltweit auf eine neue Basis umgestellt. Vor der Versendung jeder Warensendung ist vorab der Austausch festgelegter Daten verpflichtend. Die solcherart festgelegten digitalen Vorabinformationen auf Einzelsendungsebene sollen:
 die Sicherheit der Transportwege wesentlich erhöhen;
 Zoll- und Einfuhrumsatzsteuerhinterziehung beenden;
 die Produktsicherheit erhöhen und Fälschungen vermeiden;
 die Konsumentenschutzrechte absichern;
 einen reibungslosen Grenzübertritt ohne Aufenthalt ermöglichen.

Mit global harmonisierten Datenformaten lassen sich die unterschiedlichen Transport- und Logistiknetze und deren Prozesse harmonisieren und miteinander verbinden. Das Aussetzen oder sogar Einstellen des internationalen Warensendungsaustausches der Postgesellschaften hat den bereits fortgeschrittenen Prozess der weiteren Digitalisierung der online Zustellung beschleunigt.

Wir als logistic-natives e.V.- network of international logistics infrastructure in modern commerce sind an einem Austausch zu den oben genannten Themenstellungen und weiteren aktuellen logistischen Herausforderungen sehr interessiert. Kommen Sie hierfür einfach auf uns zu! (WT)

Florian Seikel, Geschäftsführer logistic-natives e.V. | Walter Trezek. Vice-Chair eLogistics-Working Group Ecommerce Europe Chairman oft he UPU Consultative Committee und Experte des logistic-natives e.V.

Quelle: LOGISTIK express Journal 2/2020

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