COVID-19 stellt den Handel vor gewaltige Herausforderungen

85 Prozent der österreichischen Handelsunternehmen rechnen heuer laut einer aktuellen Studie von EY und Handelsverband mit Corona-bedingten Umsatzeinbußen, jedes zehnte Unternehmen musste bereits Stellen streichen. Ein Drittel bewertet die Abwicklung der staatlichen Unterstützungsleistungen mit „Nicht genügend“.

Beitrag: Rainer Will.

Eine aktuelle Befragung der heimischen Handelsunternehmen bestätigt die gravierenden Auswirkungen der Corona-Krise auf den österreichischen Handel. Alle Bereiche im Einzel- und Großhandel stehen vor massiven Herausforderungen – 85 Prozent rechnen heuer mit Umsatzeinbußen von durchschnittlich einem Drittel. In das kommende Jahr blicken die österreichischen Händler ausgehend vom stark negativen Niveau 2020 etwas positiver, die Schatten der Krise zeichnen sich allerdings auch 2021 ab. Nur ein Viertel der Händlerschaft geht von einer Rückkehr zum Vorkrisenniveau aus. Das sind die Ergebnisse einer Umfrage des Handelsverbandes und der Prüfungs- und Beratungsorganisation EY, für die 161 Händler – vom EPU und KMU bis hin zum filialisierten Unternehmen – befragt wurden.

Beschäftigung: große Planungsunsicherheit.
Immerhin vier von zehn Handelsunternehmen geben an, dass sie bisher alle ihre Mitarbeiter halten konnten, aber Corona-Kurzarbeit in Anspruch genommen zu haben oder das zu beabsichtigen. Der Ausblick in den kommenden zwölf Monaten ist noch ungewiss, für 39 Prozent der Befragten ist derzeit nicht absehbar, wie sich ihr Personalstand im kommenden Jahr entwickeln wird. Immerhin planen aber 41 Prozent der befragten Händler, die Mitarbeiterzahl nicht zu verändern. Die aktuellen Entwicklungen rund um COVID-19 haben jedenfalls ein großes Maß an Planungsunsicherheit erzeugt.

Lebensmittelhändler sind bei der starken Nachfrage gefordert, die Lieferketten und Verfügbarkeit zu sichern. Andere Handelssparten, etwa die Bereiche Fashion, Inneneinrichtung oder Sport, haben dagegen mit teils massiven Umsatzeinbußen zu kämpfen. Dass eine Krise dieser Art ausbrechen könnte, hatten die wenigsten am Radar – lediglich acht Prozent der Handels- und Konsumgüterunternehmen verfügten über einen Pandemie-Krisenplan.

eCommerce: Online-Shopping als Rettungsanker.
Um Mitarbeiter zu halten und Umsatzdefizite bestmöglich auszugleichen, war bei vielen Unternehmen rasches Umdenken gefragt. Für die Hälfte stand Kostenoptimierung an erster Stelle, gefolgt von unterschiedlichen Maßnahmen im Bereich Online-Vertriebskanäle, Digitalisierung und Lieferketten. Vor allem die Verkaufsstrategie hat sich stark in den digitalen Bereich verlagert: 46 Prozent der Händler haben im Zuge von COVID-19 einen eigenen Online-Shop auf- oder ausgebaut.
Jeder Dritte hat die Listung auf Onlinemarktplätzen wie Amazon oder Shöpping gestartet bzw. will das demnächst tun. Vor allem für viele EPU und KMU waren die letzten zwei Monate ein Weckruf, dass ein professioneller Webauftritt mit digitalen Leistungen ein wirkungsvolles zweites Standbein darstellen kann. Der Sprung ins kalte Wasser ist erfreulicherweise vielen geglückt – auch denen, die sich jahrelang vor dem Online-Handel gescheut haben. Neuerungen, die aufgrund dieser Notsituation geschaffen wurden, werden hoffentlich auch künftig ausgebaut.

Krisenbilanz: Viele Händler bewerten Abwicklung der Staatshilfen mit „nicht genügend“
Weit weniger zufrieden sind die Handelsunternehmen mit dem Corona-Hilfspaket der Bundesregierung: 57 Prozent sehen hier deutliches Verbesserungspotenzial, jeder dritte Händler bewertet die Abwicklung der Staatshilfen sogar mit “nicht genügend“.

Am schlechtesten fällt die Bewertung des Hilfspakets durch kleine Händler mit Jahresumsätzen von bis zu einer Million Euro aus. Deutlich besser wird es hingegen von größeren Händlern mit Umsätzen von mehr als 10 Millionen Euro beurteilt. Bislang hat rund die Hälfte der Unternehmen Corona-Kurzarbeit in Anspruch genommen, weitere drei Prozent haben eine Beantragung geplant. 41 Prozent haben Unterstützung beim Härtefall-Fonds für KMU/EPU beantragt. Zudem hat fast die Hälfte der Händler um Steuerstundungen angesucht, ein Viertel plant einen Antrag für den Corona Hilfs-Fonds, 19 Prozent haben diesen bereits gestellt.

Investitionsstau: 80 Prozent stoppen Projekte mangels Liquidität.
Vor diesem Hintergrund haben acht von zehn Händlern vor, zumindest einen Teil der für 2020 geplanten Investitionen nicht zu tätigen oder aufzuschieben. Im Schnitt sind 46 Prozent der Investitionen derzeit on hold oder werden gestrichen. Was den werblichen Auftritt nach außen betrifft, wurde im Zuge der Pandemie ebenfalls auf die Bremse gedrückt: 46 Prozent haben die Marketingausgaben gesenkt, nur knapp jeder fünfte Händler hat verstärkt die Werbetrommel gerührt.

Die Händler kämpfen derzeit um jeden Euro in der Kasse und damit um jeden Konsumenten. Der Liquiditätsmangel führt zwar nur bei jedem dritten Händler zu Rabattaktionen, jedoch treten fast 80 Prozent der Händler bei Investitionen auf die Bremse. Das wirkt sich auf die gesamte Volkswirtschaft aus. Aktuell sind mehr als 588.000 Menschen in Österreich arbeitslos und weitere 1,2 Millionen in Kurzarbeit, das heißt, diese Verbraucher müssen jetzt mit deutlich weniger Einkommen auskommen. Daher sind jetzt Maßnahmen zur nachhaltigen Stabilisierung der Kaufkraft essenziell, sonst trübt sich der Konsum weiter ein.

Regulative Hausaufgaben: Steuerreform, Österreich-Schecks und digitales Fairplay
Der Handelsverband hat sich als erste Organisation in der Corona-Krise für ein Vorziehen der bereits paktierten Steuerreform eingesetzt. Die Senkung der Lohn- und Einkommensteuertarife sollte hierbei im Vordergrund stehen, um die Kaufkraft nachhaltig abzusichern. Darüber hinaus empfiehlt der Handelsverband die bundesweite Ausgabe von „Österreich-Schecks“ im Wert von 500 Euro für alle Personen mit Hauptwohnsitz in Österreich und einem Jahreseinkommen unter 11.000 Euro, da diese Gruppe der Geringverdiener nicht von einer Lohnsteuersenkung profitieren würden.

Ein Gebot der Stunde wäre die Einführung einer Plattformhaftung für Onlinemarkt-plätze aus Drittstaaten. Diese sollte bei Produktfälschungen, bei nicht korrekter Entrichtung der Mehrwertsteuer sowie bei einer unvollständigen Bezahlung der Abfallentsorgungsgebühren anfallen, falls die auf den Marktplätzen gelisteten Drittstaaten-Händler nicht direkt in Anspruch genommen werden können. Wer in Österreich Gewinne erwirtschaftet, sollte auch hierzulande in die Gesundheits- und Sozialtöpfe einzahlen – so wie alle anderen heimischen Händler.

Daher spricht sich der Handel auch vehement gegen den Plan der EU-Kommission aus, die bereits für 1. Jänner 2021 fixierte Abschaffung der 22-Euro-Freigrenze bei Paketlieferungen aus Drittstaaten um ein halbes Jahr zu verschieben. Im Gegenteil, das Aus für die 22-Euro-Freigrenze ist überfällig, würde es doch ein 150 Millionen Euro großes Steuerschlupfloch für asiatische Onlinehändler endlich schließen. Sollten die Plattformhaftung und die Versteuerung ab dem ersten Cent nicht kommen, wäre das ein Schuss ins volkswirtschaftliche Bein, während der Standort Österreich bereits Corona-bedingt hinkt. Mittlerweile ist ein Drittel aller österreichischen Einzelhändler von der Schließung bedroht – höchste Zeit, zu handeln. (RED)

Quelle: LOGISTIK express Journal 3/2020

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